PREMIERE: |
„SIMPLICIUS SIMPLICISSIMUS“ |
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WEITERE AUFFÜHRUNGEN: Oktober 2010 Sa. 9.10. 20 Uhr So. 10.10. 20 Uhr Di. 12.10. 20 Uhr Do. 14.10. 20 Uhr Fr. 15.10. 20 Uhr Sa. 16.10. 20 Uhr November und Dezember Mo. 29.11. 9 Uhr, 11 Uhr Di. 30.11. 9 Uhr, 11 Uhr Mi. 1.12. 9 Uhr, 11 Uhr Do. 2.12. 9 Uhr, 11 Uhr Fr. 3.12. 9 Uhr, 11 Uhr So. 5.12. 15 Uhr Mo. 13.12. 9 Uhr, 11 Uhr Di. 14.12. 9 Uhr, 11 Uhr Mi. 15.12. 9 Uhr, 11 Uhr Do. 16.12. 9 Uhr, 11 Uhr Fr. 17.12. 9 Uhr, 11 Uhr, 20 Uhr Sa. 18.12. 15 Uhr, 20 Uhr So. 19.12. 15 Uhr, 20 Uhr Mi. 22.12. 15 Uhr Do. 23.12. 15 Uhr Vormittagsvorstellungen nur mit Voranmeldung. Gallus Theater |
Vom abenteuerlichen Leben des Findelkindes Simplicius Simplicissimus im Spessart des dreißigjährigen Krieges, erzählt das musik-theatralische Gesamtkunstwerk , inszeniert vom „Ensemble 9. November“. An die Stelle von Buchillustrationen, wie z.B. die vorzüglichen Stiche Jacques Callots zum dreißigjährigen Krieg, lassen der überwältigende Reichtum an Bildern, Lifemusik und komödiantischem Spiel, die barocke Fülle der Epoche vor allen unseren Sinnen auferstehen . Nicht zuletzt bildet diese, alle Künste und ihre Talente lebendig nahe bringende Inszenierung, eine echte Alternative zur digitalen Erlebniswelt. Als roter Faden durchwirkt das abenteuerliche Leben des Simplicius in Stationen und Episoden das mit ihnen voranschreitende Spiel. Sein Lebensweg vom Hirten auf der Lichtung im Wald , zum Kalbs-Narren in der Schlossfestung zu Hanau , zum grünen Jäger von Soest, die fortwährende Neudefinition seines Selbst, als Teil einer zerrütteten kriegsmüden Gesellschaft, und endlich als Einsiedler,lassen seinen draufgängerischen Lebensstil im historischen Kontext des Dreißigjährigen Kriegs fast mustergültig erscheinen. Von Erlebnis zu Erlebnis, nach dem Motto `Fortsetzung folgt´, zeichnet die Inszenierung markante Phasen im Leben des Helden und verweist dabei zugleich auf seinen, in Buchform nachlesbaren, ausführlicheren Lebensbericht. Der hierfür von der autobiographischen Erzählsprache in spielbare Handlungssprache umdramatisierte Text, entstammt der neuen, vom Eichborn Verlag herausgegebenen, Fassung Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausens Schelmenroman `Der abenteuerliche Simplicissimus Deutsch´ in der Übersetzung aus dem Deutschen des 17.Jahrhunderts von Reinhard Kaiser. Das Frankfurter „Ensemble 9. November“ (E9N), geleitet von Helen Körte und Wilfried Fiebig, führt dies im Gallus Theater »für Menschen von 6 bis 96 Jahren« auf. ... als gattungsübergreifendes Spiel für alle. Mit, wie bei dieser Truppe üblich, Tanz, Musik, Gesang, und bildender Kunst.“ Es gibt wohl keine Gruppe in der freien Theaterszene Frankfurts, in der diese eine so entscheidende Rolle spielt wie bei diesem Ensemble, das nicht einfach ein Bühnenbild und Kostüme anfertigt, sondern komplexe bildhauerische Werke und eine spezifische Körperkunst, die sich im Wechselspiel von Formen sowie Materialien mit den menschlichen Bewegungen entfaltet.« (FNP) Regie und Dramaturgie: Wilfried Fiebig Spielerische Interventionen: Helen Körte Darsteller/innen: Jens Böke Simone Greiß Ruth Klapperich Claudio Vilardo Gesang (Mezzo): Gabriele Zimmermann Musik: Claudia Hornbach (Akkordeon) Musikalische Konzeption, Bühne/Objekte, Kostüme: Wilfried Fiebig Mit freundlicher Unterstützung: Eichbornverlag FFM, Kulturamt Frankfurt/M, Jugend- und Sozialamt Frankfurt/M, Hochschule für Gestaltung Offenbach/M „ENSEMBLE 9. NOVEMBER“ www.e9n.de Pressestimmen: Frankfurter Allgemeine, 12.10.2010: Das Leben, ein Narrenspiel. Nein, nicht wirklich. Der Ernst schaut allenthalben um die Ecken und durch die Ritzen, am Widerstand des Wirklichen prallt aller Spaß ab, und keiner spürt die Härte der tückischen Objekte so sehr wie der Komödiant. So bringt das "Ensemble 9. November" gewiss ein groteskes Spektakel auf die Bühne des Frankfurter Gallus-Theaters (Kleyerstraße 15), aber eines, dessen Personen gefangen, verfangen, verkeilt, verborgen sind in Gestellen und Gestängen, unter doppelten, dreifachen, vierfachen Häuten, Rüstungen, Zurichtungen. Wie eine Dornenkrone sitzt dem barocken Titelantihelden (Claudio Vilardo) der metallene Hut auf dem Kopf, und die beiden Frauen (Simone Greiß und Ruth Klapperich), die für die höfische Gesellschaft, für die Armee, für die Menschheit im Ganzen stehen, können gelegentlich nicht anders, als gemeinsam und wohlkoordiniert im Tippelschritt zu gehen, weil sie eingeengt, eingeschlossen, ummantelt sind von schweren pelzigen Textilien mit langen klirrenden, transparenten Anhängseln. Jens Böke wirkt etwa als Einsiedel mit einer Kutte voller Bänder oder als Governeur mit ausladendem gefalteten Kopfschmuck wie ein Opfer von Konventionen. |
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Wiederaufnahme: |
„TANZ DER HEUSCHRECKEN“ |
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PREMIERE: Do. 18. MÄRZ 2010 20:00 UHR WEITERE AUFFÜHRUNGEN: Fr. 19. März Sa. 20. März So. 21. März Do. 25. März Fr. 26. März Sa. 27. März Jeweils 20.00 Uhr
WIEDERAUFNAHME IN MAI : Wiederaufnahme: Do. 04. November Fr. 05. November Sa. 06. November Jeweils 20.00 Uhr Gallus Theater |
Inhalt: Anlaß ist ein, ins Groteske gesteigertes, Vorstandstreffen, das Meeting. Über allen Köpfen kreist das Damoklesschwert der Kündigung. Leicht angelehnt an Dantes Inferno (Göttliche Komödie) : Vorhölle , Fegefeuer , Paradies, werden in zehn inneren Monologen, die Leiden der Teilnehmer nach außen gekehrt. Das „Ensemble 9. November“ vereint, in seiner gesamtkünstlerischen Arbeitsweise, Spiel, Musik, Gesang, Tanz und bildende Kunst, in einer alles umfassenden Bühnen- Sprache. REGIE: Helen Körte Mit freundlicher Unterstützung: www.e9n.de PRESSESTIMMEN Frankfurter Allgemeine Zeitung 23.3.2010 Lustig ist das Insektenleben Es sei denn, man hüpft in die Falle: Das Frankfurter Gallus-Theater zeigt „Tanz der Heuschrecken“ Heuschrecken - allerliebste Tiere, wenn sie auf Sommerwiesen herumhüpfen. An diese harmlosen Vertreter der Ordnung Ensifera und Caelifera hat der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering gewiss nicht gedacht, als er vor fünf Jahren Hedgefonds und ähnliche Raffgier-Vereinigungen als Heuschreckenplage bezeichnete. Ihm vor Augen standen vielmehr die gefräßigen Schwärme der Wanderheuschrecken, welche von Region zu Region wandern und eine ratzekahl gefressene Vegetation zurücklassen. Im Frankfurter Gallus-Theater, also noch in Sichtweite der Kapitalhüpfer in den Banktürmen, springt jetzt ein Einsatzkommando solcher Müntefering-Heuschrecken herum. Der Einfall auf die Bühne, den Oberschrecke Rorty, Vorstandsvorsitzender eines multinationalen Unternehmens, und seine durch Umstrukturierungspläne verschreckten Unterschrecken vornehmen, verdankt sich dem Einfallsreichtum der Regisseurin Helen Körte. Sie hat unter dem Titel „Tanz der Heuschrecken“ den Roman „Und morgen bin ich dran - Das Meeting“ des französischen Autors Laurent Quintreau, im wahren Leben Artdirector eines Pariser Werbeunternehmens, zu einem Theaterstück verwandelt, das die geheimen Gedanken der Manager ausspricht: In Worten, Bildern, Farben, Skulpturen, Songs, Tanzfiguren, Film und Musik. So also, wie es Körte in ihrem unverwechselbaren multimedialen Stil seit vielen Jahren macht. Wirtschaftsheuschrecken – dies lernt man aus dem Stück – fressen im Gegensatz zu Wanderheuschrecken nicht nur Länder kahl, sie fallen auch übereinander her und zerstören in ihrer Fixiertheit auf die Steigerung der Gewinnmargen oder die Reduzierung der Lohnkosten ihr eigenes Inneres, ihre Identität und Menschenwürde. Sie mutieren zu Schrumpfpersönlichkeiten, zu insektenhaften Wesen, gesteuert von ihrer Triebstruktur: von Gehässigkeit, Eifersucht, Geilheit, Größenwahn und Frustration. Alle sitzen sie in diesem Stück in der Falle, am Ende auch der skrupellose Rorty, dessen Darsteller Willi Forwick mit seinen unter die Füße geschnallten Prothesen tatsächlich einer Heuschrecke ähnelt. Doch vorerst thront der Konzernchef auf einem hölzernen Herrscherstuhl und tyrannisiert seine Manager, die in ihre von Bühnenbildner Wilfried Fiebig skulptural einfallsreich gestalteten Schreibtisch-Gefängnisse eingezwängt sind (Hanna Linde, Verena Specht-Ronique, Mirjam Tertilt, Claudio Vilardo, Jens Böke). Ihr Fluchtweg vor Leistungszwang und Furcht vor Jobverlust führen diese Damen und Herren in den Tagtraum. Hier führen sie einen inneren Monolog, der immer wieder zu einer Suade gegen den Chef, die Kollegen und gegen sich selbst ausartet. „Tanz der Heuschrecken“ ist weit entfernt vom Agitationstheater, das zum Sprengen der Ketten aufruft. Die musikalische Groteske verbildlicht vielmehr die innere Hölle von Menschen-Insekten, die durch den Druck der Konkurrenzverhältnisse ihr Ich verloren haben. In zehn Bildern breitet Körte die Höllenfahrt der Manager aus, manche der Bilder prägen sich nachhaltig ein. Schade, dass Franz Müntefering die Inszenierung nicht sehen wird. Der alte Heuschrecken-Fachmann könnte im Gallus-Theater auf seinem Spezialgebiet etwas dazulernen. HANS RIEBSAMEN Feuilleton Frankfurter Rundschau 22.3.2010 Das Gestell der Moderne In „Tanz der Heuschrecken...“ entdeckt das Ensemble 9. November die Ausweglosigkeit der Krise Es beginnt wie ein Standard-Statement zum Gewinn-Hype der Gegenwart: Ein bisschen flach die Sache mit den Heuschrecken, wie damals in „Jud Süß“, wo die Sprung-Insekten bereits als Schlagwort für das zerstörerische Finanzjudenkapital herhalten mussten (komisch, dass das heutzutage niemanden stört). Aber für das Ensemble 9. November ist ein stereotypischer Kern immer nur der Anlass, die Ober- und Untertöne eines Schlagworts, die Macht der Schwingungen und Strömungen in den einzelnen Akteuren, ihren Körpern, ihren Stimmen und ihren Gesten zu aktivieren. Und wie immer, so auch jetzt wieder, beim „Tanz der Heuschrecken“ im Gallus Theater ist, ein großer Pluspunkt die Verlängerung der Interaktion der Spieler in ihre szenischen Prothesen hinein, die Wilfried Fiebig entworfen hat: Gestänge, Schnüre-Konstruktionen, Gerätschaften und Stuhl-Skulpturen, die die börsennotierten und gewinnorientierten Manager- Akteure auf Trab und im Griff halten. Man bewegt sich buchstäblich im Gestell der Moderne mit ihrer edel-klassischen Stahlrohr-Ästhetik, die zwängt und stachelt, mal auf große Fahrt geht und die schönste, choreografierte Bühnenarchitektonik abgibt. Wünsche der Eingezwängten Der Purismus der Edel-Sachlichkeitsform und dazwischen die unabgegoltenen Wünsche der Eingezwängten: Der 2006 in Frankreich erschienene Roman „Marge brute“ von Laurent Quintreau ist die Grundlage der knapp zweistündigen Aufführung, die Helen Körte als multimediales Aktionstheater präsentiert. Im Verein mit der psychodramatischen Klangkulisse von Elvira Plenar und Martin Lejeune, mit den Fiebig-Objekten und Bildprojektionen, mit den Kostümen Margarete Berghoffs und dem Licht Sebastian Schackerts ein Gesamtkunstwerk, das immer mehr Facetten zeigt. Ein hübscher Tanz mit hervorragenden Schauspielern (stellvertretend: Willi Forwick) und exzellenten Songs am Abgrund, an dem sich das Verstricktsein in den vibrierenden Maschen der Regelkreise sowohl in den Menschen selbst als auch zwischen ihnen ausdrückt. Keiner, ob oben oder unten, kann entkommen, das Gestell ist allmächtig und über den gestellten Menschen-Insekten könnten sich an diesem Abend Adorno, Foucault und Heidegger die Hände reichen. BERNHARD USKE STRANDGUT, Das Kulturmagazin Mai 2010 Gallus Theater TANZ DER HEUSCHRECKEN: Kretins wie wir. Manager sind auch nur Menschen. Selbst jene, die Politiker gerne als eine die ach so soziale Marktwirtschaft pervertierende Plage denunzieren. Im Roman "Marge brut" seziert Laurent Quinceau die Spezies, indem er eine Vorstandssitzung aus der Sicht der Teilnehmer schildert. „Die geheimen Gedanken der Manager“ untertitelt E9N-Regisseurin Helen Körte das Stück, das sie daraus macht. In dem entpuppen sich die beruflichen Rollen schnell als bloße Fassade eingefleischter Ängste und Wünsche. Unter dem Druck von Krise und Konkurrenz verrenken sie sich, wie auf immer heißer werdenden Herdplatten. So kaputt der geile Pujol die fette Bremont oder Boss Rorty auch scheinen: Ihre Welt ist uns erschreckend vertraut. Alles Kretins – wie du und vielleicht auch ich. Körte inszeniert diese Innenwelten als Heuschreckentänze. Sechs Schauspieler sind in Käfig- korsette gezwängt, mit Telephonstrippen geknebelt und robote(r)n auf Geheiß im Takt, um dann traum- oder albtraumhaft aus ihren Rollen zu brechen. Ein Höhepunkt : Verena Specht-Ronique als verführerische Spinne im Netz. Das von den Musikern Elvira Plenar und Martin Lejeune untermalte Schauspiel mit Choreographien, Videos, Songs und skurrilen Geräten beansprucht all unsere Sinne – und vergnügt sie auch. Ästhetisch, geistreich und kritisch: Fürwahr ein Kunststück und vom Besten der Theatersaison. STRANDGUT, Das Kulturmagazin Mai 2010 |
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