PREMIERE |
NUSSKNACKER UND |
|||
Fotos: Sabine Lippert WEITERE AUFFÜHRUNGEN: November 2009 Do. 12.11.09 9.00 Uhr + 11.00 Uhr + 20.00 Uhr DEZEMBER 2009 Do. 17.12.09 9.00 Uhr + 11.00 Uhr + 20.00 Uhr Vormittagsvorstellungen nur mit Voranmeldung. Gallus Theater |
Indem
das E9N dieses als Partitur für seine gesamtkünstlerische
Interpretation aufgreift, will es nicht nur dem Gesamtkünstler
E.T.A.Hoffmann gerecht werden, sondern mit der, darin sich provokativ
Geltung verschaffenden, Phantasie, das Korsett wohlmeinender
`Kindgerechtigkeit´ sprengen. Nüsse, Nüsse, harte Nüsse Mit dem Gesamtkünstler E.T.A.Hoffmenn sowie dem Komponisten REGIE: Wilfried Fiebig REGIE: Helen Körte (`Das Puppenreich´) MUSIK: Jens Hunstein DARSTELLER/INNEN: Musikalischer Teppich / Bühne / Objekte / Kostüme: Mit freundlicher Unterstützung: PRESSESTIMMEN Frankfurter Allgemeine Zeitung 13.11.09 Am Limonadenfluss im Puppenreich Kinder, denkt man, seien der Natur näher als verbildete Erwachsene. Mag sein. Dann aber ist es ihre sehr eigene Natur. Und die ist recht künstlich. Eine Konstruktion. Eine Anderwelt. Ein Feenreich. Eine Spielzeugerde. Ihr Prinzip ist die Traummechanik: Lebloses wird lebendig, Lebendiges erstarrt zu Gegenständlichem, Schönes verwandelt sich in Hässliches und umgekehrt. Die Welt, ein Kunstmärchen. Das Märchen, eine Welt, in der das Künstliche alles andere überlagert. E.T.A. Hoffmann hat die Grenzen zwischen Alltag- und Phantasie in seinen Romanen und Erzählungen verflüssigt, in „Nussknacker und Mausekönig” ist es die Perspektive eines sieben Jahre alten Mädchens, in die er ein phantastisches Geschehen rückt. Das Frankfurter „Ensemble 9. November (E9N)”, geleitet von Helen Körte und Wilfried Fiebig, hat den Text in eine dramatische Fassung gebracht und führt diese im Gallus-Theater „für Menschen von 6 bis 96 Jahren” auf. Als Weihnachtsmärchen für die Kleinen, als gattungsübergreifendes Spiel für alle. Mit, wie bei dieser Truppe üblich, Tanz, Musik, Gesang. Und bildender Kunst. Es gibt wohl keine Gruppe in der freien Theaterszene Frankfurts, in der sie eine so entscheidende Rolle spielt wie bei diesem Ensemble. Das ist Fiebig zu verdanken, der nicht einfach ein Bühnenbild und Kostüme anfertigt, sondern komplexe bildhauerische Werke und eine spezifische Körperkunst, die sich im Wechselspiel von Formen sowie Materialien mit den menschlichen Bewegungen entfaltet. Das artifizielle Märchen wird auf diese Weise nicht illustriert, auch nicht ausgestattet oder gar ausstaffiert. Vielmehr werden parallel zu ihm künstlerische Artefakte vorgeführt, die auf das Künstliche selbst verweisen, das Ganze auf eine abstrakte Ebene heben, es zugleich jedoch auch mit Licht und metallischem Glanz, mit üppigen Objekten und strenger Geometrie mit Sinnesreizen aufladen. Die Schauspieler agieren in Gestellen, die sie zu künstlichen, also zu Kunstfiguren machen, diese kämpfen mit großen Leuchtstangen, nie kann ein Zweifel bestehen, dass es sich um imaginäre Existenzen handelt, die sich bekriegen. Gleichwohl sind sie so wirklich, dass das Kind Marie am Schluss in das am Limonadenfluss liegende Puppenreich geht. Aus Liebe zum Nussknacker, der eigentlich der heldenhafte, wenngleich nicht allzu groß gewachsene Neffe des Paten Droßelmeier ist. Es gibt eine Vorgeschichte von Mäusen und Menschen, bei der einiges schiefgelaufen ist, was dafür sorgt, dass der Mausekönig die Macht über den Nussknacker hat. Dieser muss den Mausekönig besiegen. Und jemanden finden, der ihm aufrichtig zugetan ist. Weil Marie den Nussknacker so liebgewonnen hat, erhält dieser seine ansehnliche Jünglingsgestalt zurück. Der Nussknacker aber oder die Prinzessin Pirlipat aus der Vorgeschichte sind ebenso skulpturale Objekte von eigenem Rang wie etwa das Schloss, das der Pate Droßelmeier, auch so eine Kunstfigur, am Heiligabend den Kindern Marie und Fritz schenkt. Es funkelt und glitzert auf der Bühne, dass es eine wahre Freude ist. Jens Böke, Ruth Klapperich, Verena Specht-Ronique und Claudio Vilardo agieren voller Spiellust, Jens Hunstein setzt sparsame musikalische Akzente in einem Klangteppich, den Fiebig geknüpft hat. Alles in allem: ein Stück exakter Phantasie. Michael Hierholzer |
|||
PREMIERE 12. MÄRZ 2009 – 20:00 UHR. Fotos: Sabine Lippert WEITERE AUFFÜHRUNGEN: Sa. 14. März 2009 So. 15. März 2009 Do. 19. März 2009 Fr. 20. März 2009 Sa. 21. März 2009 So. 22. März 2009 Wiederaufnahme: Do. 7. Mai 2009 Fr. 8. Mai 2009 Sa. 9. Mai 2009 jeweils 20.00 Uhr. Gallus Theater Tel. Reservierungen 069 75 80 60 20 Kleyerstraße 15 60326 Frankfurt http://www.gallustheater.de |
FRAU IM MOND UND ANDERE LIEBHABER
Musiktheater
KONZEPTION, DRAMATURGIE, REGIE: Helen Körte KOMPOSITION, MUSIKAL. LEITUNG: Martin Lejeune SCHAUSPIELER/INNEN: Katryn Schyns, Margie King, Verena Specht-Ronique, Willi Forwick, Claudio Villardo, Fernando Fernandez, Thomas Ulrich. MUSIKER: Martin Lejeune, Jens Hunstein, Peter Kölsch BÜHNE, OBJEKTE: Wilfried Fiebig KOSTÜME: Margarete Berghoff FILME: Sebastian Schnabel, Tanja Herzen (HFG) PROJEKTION: Jörg Langhorst, Wilfried Fiebig LICHTDESIGN: Oliver Heyde FOTOGRAPHIE: Sabine Lippert PRESSESTIMMEN Frankfurter Allgemeine Zeitung 14.03.2009 MAN TRÄGT JETZT GIEßKANNE Helen Körtes skurrile " Frau im Mond " im Gallus-Theater Hans Riebsamen Wer ist die Schönste im ganzen Land? Drei Grazien erheben im Gallus-Theater darauf Anspruch, drei liebreizende Damen in bauschigen Kleidern und mit extravaganter Kopfbedeckung. Frau trägt in dieser Saison Gießkanne auf dem hübschen Köpfchen — hat Modeschöpferin Helen Körte festgelegt, um flugs Maßschneider Wilfried Fiebig ins Atelier zu schicken. Doch die Schönste ist nicht hier auf Erden unter den Geishas der Teezeremonie zu finden, die Schönste, Ophelia, schaut vom Mond auf uns herab. Und so hat Regisseurin Körte ihrem neuen Theaterstück nach Ilse Aichingers Text "Mondgeschichte" den Titel "Frau im Mond" gegeben, mit dem Zusatz "und andere Liebhaber". Um Liebe und Liebhaber geht es in allen vier Stücken des Stücks. Körte hat vier Texte von Schriftstellerinnen, neben Aichinger Ingeborg Bachmann, Karen Duve und Christa Reinig, als Vorlage genommen und aus jedem einzelnen einen je eigenen Minireigen von Szenen gemacht. Daraus ist kein hochgestochenes Literaturtheater geworden geworden, vielmehr ein freches Gesamtkunstwerk aus Schauspielerei, Tanz, Musik, Film und Objekten der bildenden Kunst. Letztere hat wie immer der Mann im Zweierteam des "Ensemble 9. November", der Künstler Fiebig geschaffen. Wer kann schon von sich behaupten, einen eigenen Theaterstil entwickelt zu haben ? Körte darf es, das Kunststück ist ihr im Laufe der Jahre gelungen. und dies mit ganz geringen finanziellen Mitteln der städtischen "institutionellen Förderung", aber mit umso mehr Phantasie. Dieses Mal sogar besonders gut. "Frau im Mond" ist Farce, skurrile Komödie, schwarzes Theater, Comedy, Slapstick - aber nie Klamotte. Die rechte Mischung gegen den Trübsinn in diesen Zeiten. Hier werden mit Farbe und Tönen Verrücktheiten der Liebessehnsüchte ironisiert. Aus Bachmann Traum- und Schmerzensmann Hans, dem die Schriftstellerin mit allen Gefühlsempfindungen von Zärtlichkeit bis Verachtung begegnet, wird das "Hänschen klein" , getrillert und gesungen in drei Versionen; aus Karen Duves Hunde-Besucher ein magerer Wolf mit philosophischer Ader und außerdem ein bezaubernd hundischer Zwei-Minuten-Film von der Studentin Tanja Herzen; aus Christa Reinigs kluger Else, ihrem Katerlieschen und der Gänsemagd eine Emanzen- Rockband- während ihre potentiellen Liebhaber, drei Soldaten, zum Kampfruf "Jesus, meine Zuversicht, Erdbeertorte gibt es nicht " Liegestütze üben. Nicht zu vergessen die Musik von Martin Lejeune, sie ist wie cremige Sahne über dem nicht vorhandenen Erdbeerkuchen. Frauen, Pferde und Gießkannen Frankfurter Rundschau Stefan Michalzik Sein oder Nichtsein, das ist hier die Hundefrage. Ein solcher Satz, er stammt aus Karen Duves Erzählung "Besuch vom Hund", ist in seiner einen Fantasieraum öffnenden Dimension wie geschrieben für Helen Körte, Gründerin und Regisseurin des Frankfurter Ensembles 9. November. Körte, die ihre Stoffe seit jeher, lange bevor es auf dem Theater zur Zeiterscheinung geworden ist, aus literarischen Vorlagen bezieht, bringt in ihrer neuen, am Gallus-Theater herausgekommenen Arbeit "Frau im Mond und andere Liebhaber" Erzählungen deutschsprachiger Autorinnen zusammen, die von den Verhältnissen zwischen Männern und Frauen handeln. In "Undine geht" aus Ingeborg Bachmanns 1961 erschienenem ersten Prosaband "Das dreißigste Jahr" scheint Elfriede Jelinek schon vorweggenommen. Im Angesicht des Suizids wird Klage geführt gegen die "Ungeheuer mit Namen Hans", eine Phalanx von "Monstren", die im Gestus schnöder Selbstverständlichkeit Frauen funktionalisieren. Filmbilder von Wildpferden, Metapher für Freiheit, eröffnen die Szene, derweil das Stampfen der drei Darstellerinnen von eng gezogenen Grenzen zeugt. Auch von denen emotionalen Verfangenseins. Begonnen hat der Abend mit der "Mondgeschichte" Ilse Aichingers, die eine Misswahl bis ins Universum ausgreifen lässt. Auf dem Mond, in einer Begegnung mit Shakespeares Ophelia, findet die Schönheitskönigin ihre Meisterin. Eine Trias mit Gießkannen gekrönter Prinzessinnen tritt auf, unter Klängen des glorios agil musizierenden Jazztrios um den Gitarristen Martin Lejeune. Am Ende, in "Kluge Else, Katherlieschen und Gänsemagd" von Christa Reinig, treffen drei Frauen aus den Grimmschen Märchen, die den Unbilden des gesellschaftlich zugeschriebenen Frauseins entkommen wollen, auf einen soldatischen Dreiertrupp: Ein Offizier schleift zwei Rekruten. Ein grotesk überzeichnetes Bild von Männlichkeit. Ist es ein Abend, geschöpft aus dem Geiste feministischer Weltsicht? Kann man so sehen. Doch egal, welche im Kern auch noch so "harten" Themen sich Helen Körte anverwandelt, am Ende steht immer ein Theatermärchen von schierer Freundlichkeit. Das Theater, ein Fest. Ein revuehaftes Spektakel. Mit wild wuchernden, gleichwohl in ihrer Handschrift wohlbekannten Fantastereien und mit kongenialen Objekten von Wilfried Fiebig. Eine Welt der schönen, sich selbst genügenden Bilder. Sein oder Nichtsein, das ist hier die Hundefrage. Frankfurter neue Presse, 14.03.2009 Die Erde will Miss Universum sein Helen Körte vom «Ensemble 9. November» inszenierte im Gallus-Theater Frankfurt «Frau im Mond und andere Liebhaber». Eben meint man noch, dass sich das von Martin Lejeune und Mini-Band begleitete Stück Musiktheater, ein intarsienhaftes Gesamtkleinkunstwerk aus intelligenten Bildeinfällen (Bühne, Objekte: Wilfried Fiebig) und kauzig-kaleidoskopischen Elementen, die ihre Figuren in lyrischen Teil-Plots, Tanz, Gesang und Dialogen mehr malen als plastisch machen, ein wenig hinzieht. Aber, oh Wunder, da ist «Frau im Mond» schon zu Ende – hat statt geschätzter 50 Minuten fast zwei Stunden gedauert. Kurzweil-Theater als subjektive Zeitmaschine: eine Vorstellung, die sich mit Körtes surreal-absurd-abstrakter Bühnenwelt gut vereinbart. Was passiert? Miss Erde möchte auch Miss Universum sein und reist zur Kür auf den Mond, wo sie die ungleich schönere Ophelia vorfindet: Alles nur ein Traum (Ilse Aichinger, «Mondgeschichte»)? Undine, Wasserwesen wie Ophelia und Ur-Frau, leidet unter der Missachtung ihres Ur-Mannes Hans alias Hänschen klein (Ingeborg Bachmann: «Undine»). Ein Hund bricht in die Party der Dichterin ein und stellt die Ordnung der Dinge auf den Kopf (Karen Duve: «Besuch vom Hund»). Viertens Christa Reinigs «Kluge Else, Katerlieschen und Gänsemagd als Bremer Stadtmusikanten»: Frauen aller Märchen, vereinigt euch – streift eure Frauenrollen ab, lasst die Machos zurück und sucht die Freiheit! Als Feministin fiel Helen Körte bislang nicht auf. Diesmal taucht sie gezielt ins Erzählen von Vorzeige-Autorinnen ein, konzentriert sich auf weibliche Figuren und ihre weiblichen Welt-Geschichten. Identifiziert sie die Undines in Bild 2 mit einer rasenden Herde Wildpferde oder stellt sie ihre Frauen auf den Catwalk, fällt freilich auf, dass das Feministische unaggressiv bleibt. Die Assoziationen gehen eher zur Pferdeliebe pubertierender Mädchen, die sie auf Männerliebe vorbereitet, als zum Kastrationsmesser. Männer werden von außen gesehen, doch schwingt in Körtes Blick auf deren kleine Lächerlichkeiten ein ironisch-sympathisierender Grundton mit. Ein hübsches Spiel, das gerade auch musikalisch gefällt.dek |
|||
|